Mastodon und Twitter? Oh nein, nicht noch ein Beitrag zum Thema… Viel ist in der letzten Zeit dazu geschrieben worden: zur Twitter-Übernahme durch Elon Musk, darüber, wie sich Befürchtungen bewahrheitet haben. Was man jetzt tun sollte. Und parallel dazu, ob Mastodon eine (gute?) Alternative ist. Hier kommt nun noch meine persönliche Perspektive: Mastodon ist anders, und gerade drum eine gute Alternative.
Twitter und ich
Bei Twitter bin ich gefühlt schon immer. Meinen ersten Account habe ich 2013 stillgelegt und später gelöscht, seitdem nutze ich meinen aktuell noch existenten Account. Ich könnte behaupten, ich würde meinen Account nur deshalb nicht löschen, weil ich mein handle @Linni_HH nicht zum Missbrauch freigeben will, wie es vielerorts ja geraten wird. Aber: wer sollte an meinem für die Welt lächerlich unbedeutenden Account mit noch nicht mal 150 Followern Interesse haben?
Ich habe Twitter immer als eine Art News-Aggregator genutzt. Das letzte Mal, dass das wirklich wichtig für mich war, ist gerade mal drei Wochen her: Die Nacht der Proteste in Peking. Nirgendwo sonst habe ich in quasi Echtzeit authentische Videos und Berichte gefunden – mein Chinesisch ist leider zu schlecht, um mich sicher auf Weibo und Co. bewegen zu können, zumal dort eh die Zensur tobt. Und genau das ist es, worauf ich nicht verzichten möchte, und deshalb schau ich dort auch weiterhin hinein. Ich sehe mich aber aktiv nach Alternativen um. Blogs in Verbindung mit rss-Feeds sind da schon eine gute Sache, aber (noch) nicht ausreichend.
Was ich aber nicht mehr tun werde: eigene Inhalte hinzufügen. Das habe ich aber eh kaum getan. Liken und teilen werde ich noch – vorerst. Also werde ich die Entwicklung erst einmal weiter kritisch beobachten, kann mir aber vorstellen, dass die Schmerzgrenze bald überschritten ist. Die Sperrung und nur teilweise wieder Freischaltung von Journalist:innen, die dem neuen Eigentümer nicht schmecken, war schon sehr dicht dran.
Grundsätzlich hatte Twitter schon lange etwas Schreckliches mit den Hatern, den Nazis. Dass denen jetzt noch weniger Grenzen gesetzt werden, ist furchtbar. Hater und Nazis sind aber grundsätzlich furchtbar, nicht nur auf Twitter.
Mastodon
Ich albere immer rum, dass ich den halben CCC geboren habe. Das ist zwar dezent übertrieben, hält mich deshalb aber trotz meines fortgeschrittenen Alters einigermaßen wach und informiert. Mastodon ist mir daher schon lange ein Begriff, auch wenn ich mich erst vor gut einem Jahr dort angemeldet habe. Genutzt habe ich es nicht wirklich regelmäßig, und das auch eher nur konsumierend als aktiv. Das hat sich seit einigen Monaten geändert – seit der Ankündigung der Twitterübernahme durch Musk, um genauer zu sein. Und: ich fühle mich wohl dort. Ich bin auf einem kleinen Server zu finden: @lin@literatur.social
Sich auf einem kleinen Mastodon-Server niederzulassen, ist sicher ein guter Rat. Die lokale Timeline ist überschaubar(er) – und es ist gut für ein verteiltes Netzwerk, wenn es nicht allzu große, potentiell dominante Server gibt.
Inzwischen gibt es auf Mastodon eine klitzekleine China-Bubble, eine ebenso kleine Deutsch-im-Ausland-Bubble, die beide gerne noch wachsen dürfen. Meine Timeline wird jeden Tag reichhaltiger und interessanter. Mir als IT-affinem Mensch ist das Einleben leicht gefallen, aber in Wahrheit ist es auch für Menschen, die am Fernseher nach dem Einschaltknopf suchen, nicht wirklich schwieriger als andere Netzwerke. Vielleicht muss man sich von der Erwartung frei machen, direkt am ersten Tag alles zu durchblicken. Das ist doch auch gar nicht nötig, man kann da in aller Ruhe reinwachsen.
Ich kann verstehen, dass Menschen mit mehr als einer Handvoll Follower der Umstieg/Einstieg schwerfällt. Es ist nachvollziehbar, dass es bei Menschen, die in welcher Form und welchen Medien auch immer publizieren, angsteinflößend ist, wenn sie 5-6stellige Followerzahlen aufgeben sollen. Aber: der Versuch lohnt sich, denn auch wenn es auf Mastodon (was ja nur ein Teil des Fediversums ist!) erst einmal kleinere Followerzahlen geben mag, so ist die Interaktionsrate wohl massiv höher. Und: unterm Strich gibt es mehr Mini-Accounts wie den meinen als diese großen. Wenn die vielen „Kleinen“ auf Mastodon und Co. sind, dann wird es unumgänglich für die „Großen“ sich auch dort hinüber zu begeben.
Ich habe zu denjenigen (Exot:innen?) gehört, die sich auf Twitter grundsätzlich die neuesten Beiträge haben anzeigen lassen (nachvollziehbar, wenn es einem primär um News geht, oder?). Von daher kratzt es mich überhaupt nicht, dass es keine nicht-nachvollziehbaren Algorithmen gesteuerten Timelines gibt. Und ich bin mir sehr sicher, dass man sich sehr schnell daran gewöhnen kann. Ebenso schnell wie man sich an lokale und föderierte Timelines gewöhnen wird.
Mastodon und Twitter – und…?
Ich bin gespannt, wohin es mit den sozialen Medien geht. Die kommerziellen „sozialen“ Medien wie Twitter, aber auch Instagram, Facebook und Co. sind in Wahrheit doch schon lange asoziale Medien, Werbeplattformen und Orte des Unwohlseins. Ich selbst finde zwar immer noch Gründe für mich, warum ich mich davon nicht total verabschiede, aber der Fokus hat sich in den letzten Monaten doch verschoben. Von daher wünsche ich mir, dass das Fediverse und Mastodon deutlich an Bedeutung gewinnen!
0 Kommentare